Freiheit ist immer die Freiheit des anderen. Auch die von Kevin Kühnert…

…. es wäre nur schön, wenn er auch den anderen ihre Freiheit ließe.

Schon vor Kevin Kühnerts aktuell heiß diskutierter BMW-Vergemeinschaftungsidee war mir eine andere Äußerung von ihm aufgefallen, die in die gleiche Richtung stößt: „Mit welchem Recht hat jemand mehr als zwanzig Wohnungen?“ fragte er bei Sandra Maischberger schon am 08. März dieses Jahres. Das ist vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte wieder aktuell, daher jetzt ein paar Gedanken dazu.

Gegenfragen: Mit welchem Recht versammeln sich jeden Freitag zur Schulzeit Schüler, um uns Erwachsenen den Spiegel vorzuhalten? Mit welchem Recht berichten Medien darüber und stellen täglich 1.000-fach die Arbeit demokratisch legitimierter  Regierungen in Frage? Mit welchem Recht bringen Piloten und Lokführer regelmäßig Verkehrschaos über Deutschland? Mit welchem Recht verbreitet Kevin Kühnert so offensichtlichen Vergemeinschaftungsunsinn und will ein offensichtlich gescheitertes Wirtschaftssystem wieder einführen? Mir fallen noch etliche andere „Mit-welchem-Recht-…-Fragen“ ein.

Antworten: Mit der Versammlungsfreiheit, der Pressefreiheit, dem Streikrecht und vor allem der Meinungsfreiheit. Kurz: mit den Grundrechten, die sich so oder so ähnlich im Grundgesetz, in der UN-Charta, der Menschenrechtserklärung der französischen Revolutionäre, der amerikanischen „Bill of Rights“ und in sicherlich noch vielen anderen Menschenrechtskatalogen wiederfinden.

Genauso wie das Eigentum. Nur mit dem nimmt’s Kevin Kühnert – nehmen es eigentlich alle Sozialisten – nicht so genau.

An den vielen Kühnert-Kritikern stört mich, dass sie sich fast ausschließlich auf  die wirtschaftlichen Denkfehler in Kühnerts Argumentation versteifen und dabei den viel wichtigeren Grundrechtsaspekt übersehen. Sozialistische Systeme mögen auch an wirtschaftlichem Irrglauben gescheitert sein. Aber sie waren und sind immer auch totalitär und menschenverachtend. Eben weil sie die Grundrechte missachten. Das hat immer mit dem Eigentum angefangen – das war (und ist) ja auch ein leichtes Ziel, denn jeder sieht die zweifelsohne nicht immer gerechten Besitzverhältnisse.

Aber es ist dem Sozialismus nie gelungen, „nur“ das Eigentumsrecht aufzuheben und die anderen Rechte in Ruhe zu lassen. Das geht auch nicht. Denn die Grundrechte sind immer ein Katalog. Sie gehören zusammen. Sie sind auch nicht „aufzuheben“ oder „zu widerrufen“, denn Grundrechte wohnen dem Menschen inne, wir sind mit ihnen ausgestattet. Ein Staat, der auch nur ein Grundrecht abschaffen will, muss denknotwendigerweise der Meinung sein, er hätte die Rechte verliehen. Eine solche Macht hat kein Staat, auch kein demokratisch legitimierter. Am Rande: So verargumentieren die – demokratisch gewählten – Machthaber Putin und Erdogan ihre Missachtung der Grundrechte. Das kann nicht das sein, was Herr Kühnert will.

Natürlich trägt das Eigentumsrecht eigenartige Früchte und die Mietpreisentwicklung ist zweifelsohne ein treffendes Beispiel hierfür. Aber das tun alle Grundrechte: Die Versammlungsfreiheit gilt auch für rechts- und linksextreme Gruppen, die nur zu gern Versammlungen Andersdenkender unterbinden würden. Das Streikrecht gilt auch für Piloten oder Ärzte, die sechsstellige Beträge im Jahr verdienen. Die Pressefreiheit gilt auch für BILD-Schlagzeilen und alle möglichen Online-Magazine. Kein Mensch käme wegen dieser Auswüchse auf die Idee, das jeweilige Recht grundsätzlich in Frage zu stellen.

Die Meinungsfreiheit gilt auch für Kevin Kühnert. Bezeichnender Weise hat auch niemand ernstzunehmendes gefordert, ihm dieses Recht zu entziehen. Auch nicht die Eigentümer von BMW. Das ist der wesentliche qualitative Unterschied: Letztere aktzeptieren Kühnerts Grundrechte.

Er ihre nicht.

 

 

 

 

Nachbemerkung:

So sicher wie das Amen in der Kirche wird der Einwand kommen, dass laut Grundgesetz „Einkommen verpflichtet und dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll“. Soll es auch, hat aber mit unserem Thema hier nichts zu tun. Denn Kühnert macht sich gar nicht die Mühe zu argumentieren, dass und warum das ggf. nicht der Fall ist. Die Beweislast läge aber bei ihm, wenn er schon das Grundrecht in Frage stellt. Insofern halte ich mich jetzt auch mit Erklärungen zurück, warum das allermeiste Eigentum schon mal per se der Allgemeinheit dient. Das hebe ich mir auf, wenn ich ein substantielles Argument höre, warum das nicht so ist.

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