Mindestlohn für Praktikanten oder der kalte Materialismus der SPD

In diesem Facebook-Post habe ich meine Frustration darüber zu Ausdruck gebracht, dass ich durch den Mindestlohn einen Praktikanten nicht einstellen konnte, obwohl wir uns über Dauer des Praktikums und die Bezahlung einig waren. Bei mehr als drei Monaten Dauer hätte ich ihm den Mindestlohn zahlen müssen – rd. 1.350 Euro im Monat.

„Zahl einfach vernünftig“ ist die Antwort eines Freundes, der tief in der SPD zu Hause ist. Ich gestehe, dass mich diese Antwort persönlich trifft: Sie beinhaltet den Vorwurf, ich würde meine Praktikanten nicht vernünftig bezahlen, ich wäre ihnen gegenüber nicht fair. So habe ich mich bisher nicht gesehen. Auch nach einer Nacht drüber schlafen sehe ich mich nicht so. Die knapp tausend Euro im Monat, die wir zahlen, sind nicht wenig für einen Praktikanten. Aber darum geht es nicht: Ich nehme für mich in Anspruch, unseren Praktikanten mehr zu bieten: Ich nehme mir Zeit zum Erklären. Ich biete  spannende Projekte. Eben einen Einblick in den deutschen Mittelstand. Ich achte drauf, dass sie nicht mehr als 40 Stunden die Woche arbeiten.

„Zahl einfach vernünftig“. Aus diesen Worten spricht das, was Sebastian Haffner den kalten Materialismus und die ökonomischen Zwangsvorstellungen der Sozialdemokratie genannt hat. Hier ist das die Reduktion eines Ausbildungsverhältnisses auf eine nackte Zahl. Damit einher geht das Ignorieren der schlichten Tatsache, dass jedes Arbeitsverhältnis, wie jede andere zwischenmenschliche Beziehung auch, von etlichen Facetten geprägt ist. Keine Frage, Lohn & Gehalt sind ein wichtiger Bestandteil dieses Verhältnisses. Aber ganz sicher nicht der einzige. Die Freundschaft jedenfalls, die ich zu vielen meiner Ex-Praktikanten auch Jahre später noch unterhalte, kommt in diesem Bild nicht vor.

Das ist das Dilemma der deutschen Mindestlohngesetzgebung. Es geht nicht um die Frage, ob mindestens 8,50 Euro ein faires Minimum für einen Lohn ist. Die wäre einfach mit „ja“ zu beantworten. Es geht darum, dass die Reduktion auf diese Zahl so viel anderes übersieht: Harte und weiche Nebenleistungen und die Möglichkeit, auf individuelle Voraussetzungen und Besonderheiten einzugehen. Bezeichnend übrigens, dass diejenigen meiner Facebook-Freunde, die bei Konzernen arbeiten, viel weniger Verständnis für meinen Post gezeigt haben, als die, die in kleineren individuellen Strukturen arbeiten. Aber sozialdemokratische Politik ist, eben in ihrem materialistischen Wesen, immer Konzernpolitik: Wer tausende Mitarbeiter hat, arbeitet ohnehin standardisiert, wenn der Standard vom Gesetzgeber kommt, macht das kaum was. Wer als kleines Unternehmen individuelle Wege geht, für den wird’s schwierig. Wie bei so vielen sozialreformerischen Ideen folgen aus einer zweifelsohne gut gemeinten Idee häufig weniger gute Konsequenzen. Was das im konkreten Fall heissen kann, habe ich in den Kommentaren zu dem Kommentar schon geschrieben.

Noch eine unschöne Konsequenz ist, dass aufgrund einer arbiträren Gesetzgebung persönliche Vorwürfe zwischen Freunden gepostet werden.

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