Whistleblower vs. Verräter

Man kann trefflich über die Behandlung Bradley Mannings durch die USA streiten, die einer liberalen Demokratie zweifellos nicht gut zu Gesicht steht. Aber Geheimnisse sind Geheimnisse und deren Verrat ist – nun ja – Verrat, auch wenn dieses altmodische Wort eher an Shakespeare als an den Irakkrieg denken lässt. Aber Manning hat Geheimnisse verraten und wurde deshalb gestern  verurteilt. Dass er vom Vorwurf des „aiding the enemy“ freigesprochen wurde, ist ein Zeichen dafür, dass der Prozess eben nicht, wie gerne behauptet, ein politischer war.

Dabei ist unerheblich, warum er das getan hat und welche Missstände er aufgezeigt hat. Denn sein Geheimnisverrat geht weit über das hinaus, was nötig gewesen wäre, um uns über deren Existenz zu informieren. Er hat eben nicht – wie Edward Snowden – „nur“ aufgezeigt, wie amerikanische Sicherheitsbehörden oder das Militär vorgehen: Er hat Namen und Details verraten. Das ist der entscheidende Unterschied zu Snowden: Während der Whistleblower Snowden verbotene Methoden an die Öffentlichkeit bringt, geht der Verräter Manning weit darüber hinaus und gibt Inhalte wie Videos und Namenslisten weiter. Snowden macht uns darauf aufmerksam, dass der Staat spioniert, Manning gibt auch weiter, was der Staat im Detail über uns weiß.

Der Fall Manning/Wikileaks unterscheidet sich noch in einem anderen wesentlichen Punkt vom Fall Snowden, und der liegt in der Veröffentlichung. Denn anders als von Medien und Menschenrechtsorganisationen gerne behauptet, leidet das Informationsinteresse der Öffentlichkeit weniger unter der Reaktion der USA und anderer Staaten auf die Veröffentlichung auf Wikileaks, als unter dieser Veröffentlichung selbst. Das klingt zwar auf den ersten Blick paradox, aber ein genauerer Blick zeigt, dass es stimmt. Denn jenseits der beiden spektakulären aktuellen Fälle sind es Informanten (das Wort alleine ist Ausdruck einer Bescheidenheit, die modernen Whistleblowern offensichtlich fehlt), die dafür sorgen, dass die Öffentlichkeit von Dingen erfährt, die sie eigentlich nicht erfahren soll. Der Schutz der Identität der Informanten ist wesentlicher Grund für die Information: Die Watergate-Affäre ist nur deshalb an die Öffentlichkeit gekommen, weil sich Mark Felt als hoher FBI-Beamter darauf verlassen konnte, dass erst nach seinem Tod bekannt würde, dass er  „Deep Throat“ war.

Bradley Manning und Julian Assange haben dem Vertrauen des Informanten in die Verschwiegenheit über seine Identität nachhaltig Schaden zugefügt. Sie, nicht die US-Regierung, haben den Informantenschutz mit Füßen getreten. Durch ihr Verhalten ist es für Informanten viel schwieriger geworden, ihre Geheimnisse weiterzugeben. Bradley Manning und Julian Assange haben die Öffentlichkeit vollumfänglich über den Irakkrieg informiert. Der Preis dafür: Wir werden in Zukunft weniger erfahren. Dieser Verlust mag juristisch nicht zu ahnden sein.

Bradley Mannings Verrat ist es, und dafür wurde er zurecht verurteilt.

Straffreiheit für Whistleblower? Absurd!

Neulich sah ich bei Spiegel Online ein Photo, das ein Transparent einer Demo für Edward Snowden zeigte. Darauf stand „Whistleblower gesetzlich schützen“. Ein schönes Beispiel für die Empörungskultur: Es kann doch nicht sein, dass derjenige, der diesen Skandal aufdeckt, dafür bestraft werden kann. Das ist zwar wunderbar empört, allerdings auch ziemlich absurd. Wenn man mal drüber nachdenkt.

Ich würde zwei Arten von Whistleblowern unterscheiden: Solche, die Staatsgeheimnisse verraten und solche, die Geheimnisse privater Institutionen (Unternehmen, NGOs, usw.) verraten. Fangen wir mit letzteren an: Der Whistleblower verrät eine private Institution. Hier gibt’s wieder zwei Möglichkeiten: Entweder verrät er ein illegales Verhalten dieser Institution oder er verrät ein Verhalten, was zwar nicht illegal ist, aber die Öffentlichkeit moralisch betrifft. Jetzt zum gesetzlichen Schutz: Im ersten Fall wäre der Whistleblower gesetzlich bereits geschützt, denn das Melden illegalen Verhaltens kann sich nicht zum eigenen Nachteil auswirken. Der zweite Fall ist schwieriger: Da hier ja nichts Verbotenes geschieht, stellt sich die Frage, welches Recht denn der Whistleblower hatte, an die Öffentlichkeit zu gehen. Im Grunde hat die Institution alles Recht der Welt, auf Verschwiegenheit zu bestehen, solange sie nichts illegales tut. Ein gesetzlicher Schutz des Whistleblowers für diesen Fall ist einfach überflüssig.

Völlig widersprüchlich ist die Forderung nach dem gesetzlichen Schutz für einen Whistleblower von Staatsgeheimnissen. Was ist ein Gesetz wert, wenn der Staat, der es erlässt und durchsetzt, derjenige ist, der Dinge tut, die nicht verraten werden sollen? Soll derselbe Staat, der falsches tut, den Verräter vor dem Staat selbst schützen?

Die Forderung nach gesetzlichem Schutz für Whistleblower ist, grade im Fall Snowden, deshalb so absurd, weil sie einerseits von Misstrauen in den Staat geprägt ist (daher der Whistleblower) und gleichzeitig von völligem Vertrauen (dass ein gesetzlicher Schutz hilft). Für eins müssten sich die Empörten schon entscheiden: Staat ja oder nein?

Mein erster Beitrag

Es geht um Freiheit. Konkreter: Die Freiheit jedes Menschen zu handeln und zu wagen. Das ist grade nicht sehr in Mode, was sicherlich an „der Krise“ liegt. Deren Grund scheint zu sein, dass ein paar Banker zu viel gewagt haben.

Um bei den Sprichworten zu bleiben: Der Schein trügt. Auf den konkreten Fall gehe ich noch ein. Aber ganz allgemein: Ohne Wagnis gibt’s nur Stillstand. Natürlich kommt nicht aus jedem Wagnis etwas positives: Wer wagt, sollte schon bereit sein, sich eine blutige Nase zu holen. Aber darum geht es nicht. Denn viel schlimmer als wagen ist nicht wagen. Peter Ustinov hat mal gesagt, „Wer auf der Stelle tritt, kann nur Sauerkraut produzieren“. Ein weiser Satz. Und trotzdem ist Wagnis nicht gut gelitten: Die Angst vor den Gefahren überwiegt. Deshalb soll Fracking verboten werden, eh es ausprobiert wurde. Deshalb muss in Deutschland alles erst genehmigt werden. Deshalb wird immer nach Regulierung geschrien, wenn sich mal jemand beim Ausprobieren eine blutige Nase geholt hat. Und deshalb wird ein Recht auf Asyl für den Whistleblower Erdward Snowden gefordert Warum das Absurd ist, steht in meinem nächsten, dem ersten echten Post.