Archiv für den Monat: Januar 2014

Kritisch denken verboten!

In meinem Facebook Feed tauchte heute dieser Artikel auf. Oberflächlich geht es darum, dass vegetarische und vegane Ernährung eine ihrer wesentlichen Ziele, nämlich das nicht-Töten von Tieren, verfehlen muss, weil das Töten von Tieren ein fast zwangsläufiger Nebeneffekt von des Anbaus von vegetarischen Nahrungsmitteln ist. Wie zu erwarten gibt es eine Empörungswelle. Der Autor – dem es offensichtlich vor allem um natürliche Ernährung geht – versucht in etlichen Nachträgen fast verzweifelt klarzumachen, worum es ihm geht: Er hat nie behauptet, man solle oder gar müsse Fleisch essen, er sei lediglich der Meinung, Ernährung sei etwas, dass jeder für sich ausmachen müsse, dabei allerdings möglichst verantwortungsvoll handeln, sprich sich möglichst natürlich ernähren solle.

Willkommen im Club der Liberalen! (Ohne mehr gelesen zu haben: die Aufmachung der Webseite legt nahe, dass der Autor nicht im Traum daran denkt, die FDP zu wählen). Text und Reaktion beschreiben schon fast archetypisch die liberale Realität in Deutschland: Wer – zurecht – auf logische Fehler in den Begründungen irgendwelcher „Nur so ist’s richtig“-Predigern hinweist, wer schreibt, individuelles Handeln ist eben dem Einzelnen überlassen, der sieht sich nicht nur einer Empörungswelle ausgesetzt. Er gerät in einen Lagerkampf zwischen zwei Fronten, wo er nur sagen wollte: Nicht „entweder oder“ sondern „es hängt davon ab“.

Grüner Liberalismus?

In der FAZ steht heute ein spannender Artikel über Grünen Wirtschaftsliberalismus: Ein weiterer Versuch, „grün“ und „liberal“ unter einen Hut zu bringen.  Offensichtlich wollen die Grünen nicht verstehen, was liberal eigentlich ist. Denn grünen Liberalismus kann es nicht geben – übrigens auch keinen „gelben“. Oder roten, blauen oder schwarzen. Libralismus zeichnet eben dadurch aus, dass die Freiheit des Menschen der Zweck politischen Handelns ist. Und nicht Mittel um einen anderen Zweck zu erreichen.

Wenn Reinhard Loske schreibt, dass

Eine Politik, die ökologische und freiheitliche Ziele verbindet, wird […] klare Klimaschutzziele über einen langen Zeitraum verlässlich festlegen, damit alle Akteure wissen, woran sie sind.

dann beschreibt er etwas zutiefst illiberales. Jede Politik, die das Handeln aller Akteure auf ein bestimmtes Ziel ausrichtet, ist ihrem Wesen nach das Gegenteil von liberal: sie ist totalitär. Dabei spielt das Ziel überhaupt keine Rolle: Ich gestehe sofort ein, dass Klima- und Umweltschutz ein erstrebenswertes Ziel ist. Nur eben nicht um den Preis, dass die Handlungsfreiheit des Einzelnen diesem Ziel untergeordnet wird. Das einzige universelle Ziel, dass eine liberale Politik zulässt ist, alles darauf auszurichten, dass der Einzelne in die Lage versetzt wird, sein Leben selbstbestimmt zu gestalten.

Das alles heisst nun übrigens nicht, dass es keine liberale Umweltschutzpolitik geben kann. Im Gegenteil ist verantwortliches Handeln auch und grade im Umgang mit den natürlichen Ressourcen wesentlicher Bestandteil der Freiheit: Verantwortung und Freiheit sind untrennbar; Verantwortung  ist sozusagen die große Verpflichtung die mit der Freiheit einhergeht. Der kategorische Imperativ, der dem innewohnt, gilt im Bereich von Umweltfragen ganz besonders: Individuelles Handeln muss immer so gestaltet sein, dass es die Welt in der wir Leben nicht so nachteilig verändert, dass zukünftige Generationen darin nicht mehr oder nur noch mit erheblichen Abstrichen leben können.

Neben dieser zugegeben recht abstrakten individuellen Verantwortung kann auch ein liberaler Staat durchaus aktiv Umweltpolitik betreiben. Und hier nennt Herr Loske durchaus auch sinnvolle und für Liberale akzeptable Maßnahmen. Besonders die ökologische Steuerreform ist ein sinnvoller Weg. Man mag darüber streiten, wie hoch Steuern sein müssen. Zwei Dinge aber sind auch dem libertärst denkenden Menschen klar: Es muss Steuern geben muss und sie haben immer auch eine Lenkungswirkung: Wenn der Staat durch Steuern, Tabak, Alkohol oder Arbeit verteuert, dann führt das dazu, dass der Preis für Tabak, Alkohol oder Arbeit steigt und die Nachfrage infolgedessen sinkt. Insofern ist es nur sinnvoll, diese Lenkungswirkung zur Erreichung politischer Ziele zu nutzen. Dass Umwelt- und Klimaschutz ein sinnvolles, ein richtiges politisches Ziel ist, darüber dürfte Einigkeit bestehen. Die Lenkungswirkung von Steuern dahingehend einzusetzen ist also vollkommen richtig. Richtiger – und liberaler – auf jeden Fall, als der gesammelte EEG-Subventionswahnsinn.

Nur ist das kein „grüner Liberalismus“. Es ist schlicht und ergreifend vernünftige Politik, die den liberalen Rahmen respektiert. Bisher haben die Grünen das nicht geschafft.