Für meinen Facebook Kommentar zu den Klima-Schulsstreikenden bekam ich privat einen äußerst kritischen Kommentar, in dem mir unterstellt wurde, das politische Engagement von Teenagern zu diskreditieren. Meine Frau wies mich darauf hin, dass mein Kommentar durchaus so zu lesen sei. Ich wies das weit von mir, muss aber nach genauerem Nachdenken zugeben, dass ich schon mit dem Schulstreik hadere. Wohlgemerkt: Es ist absolut großartig, dass sich junge Menschen zu Tausenden politisch engagieren. Und das Klima ist ganz sicher das zentrale Problem unserer Zeit, in dem ein Wandel dringenst vonnöten ist.
Was mich ärgert ist, dass diese Art und Weise des politischen Engagements es möglichen Gegnern so wahnsinnig einfach macht, dieses abzutun – und die jungen Menschen damit selbst einen großen Beitrag dazu leisten, das ihr Engagement wahrscheinlich verpuffen wird. Ich sehe zwei Probleme:
Erstens verstehe ich den „Streik“ beim besten Willen nicht: Ich will gar nicht in die Diskussion darüber einsteigen, ob das nun Schwänzen ist oder nicht. Aber wenn das erklärte Ziel ist, die „Erwachsenen“ aufzurütteln, damit sie nun endlich was für das Klima tun, wäre es doch sinvoll, diese Diskussion einfach zu umgehen und sich gar nicht erst dem Verdacht des Schwänzens auszusetzen. Soweit ich das verstehe, wollen die Streikenden ein Zeichen setzen. Ein Nachhaltiges „Zeichen-Setzen“ ist aber immer mit Opfern verbunden, eben weil die Aufopferung dazu geeignet ist, andere Menschen zu beeindrucken (in ähnlicher Richtung habe ich schon mal im Fall Böhmermann und Erdogan argumentiert). Mir ist schon klar, dass auch eine Demonstration in der Freizeit die echten Klima-Sekptiker nicht überzeugen wird. Aber die vielen Menschen wachzurütteln, die sich mit dem Thema einfach zu wenig beschäftigen, ist doch viel einfacher, wenn die Steilvorlage „die Schwänzen doch eh nur“ einfach vom Tisch wäre. Im konkreten Fall ist das noch unverständlicher, weil sich das ohne echtes Opfer erreichen ließe: Wenn anstatt morgens die Schulzeit die nachmittäglichen Hausaufgaben bestreikt würden, wäre das Ziel erreicht, ohne wirklich Freizeit aufgeben zu müssen. Es wäre sicher möglich, hier auch die Schulen und allermeisten Lehrer zum Mitmachen zu gewinnen!
Zweitens ist mir das zu alles ein bisschen zu dystopisch, panisch und angstmachend. Wenn ich – siehe oben – Menschen erreichen will, ist eine panische und angsmachende Haltung nicht unbedingt förderlich – siehe den Mißerfolg der Remain-Kampagne im Brexit. Es hilft auch nicht, dass die Streikenden dabei offensichtlichen Unsinn verbreiten. Eine (und so wie ich das verstanden habe: DIE) Begründung für den Schulstreik ist, dass der Klimawandel dazu führt, dass es keine Zukunft gibt, für die es sich zu lernen lohnt. Wenn wir davon ausgehen, dass die meisten Streikenden 12-18 sind, dann werden sie in 8-12 Jahren ihre Ausbildung abgeschlossen haben. Ich kenne kein Klimaszenario, in dem sich die Welt bis dahin in ein dystopisches Ödland verwandelt hat, in dem Bildung nichts mehr Wert wäre. Wiederum: Warum machen es die Streikenden ihren Gegnern so verdammt einfach, das eigene Engagement gegenüber den Unentschlossenen zu diskreditieren? Es gibt genug Dinge am Klimawandel, die scary genug sind um sofortiges Handeln nötig zu machen, ohne gleich den endgültigen Weltuntergang heraufzubeschwören!
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Der Klimawandel ist die große Herausforderung unserer Zeit und ihn zu bewältigen benötigt potenziert mehr Einsatz als bisher von allen: Politik, Wirtschaft, Individuen und allem, was dazwischen ist. Genau deshalb ist es wichtig, dass diejenigen, die das verstanden haben, diejenigen, die das (noch) nicht haben, auffrütteln. Die Aktion der Streikenden hat ein absolut richtiges Ziel. Deshalb wurmt es mich so, dass sie sich selbst Steine in den Weg legen!
Im obenstehenden Facebook-Post habe ich leicht belustigt festgestellt, dass der Partysong „Don’t stop me now“ hierzu nicht richtig passen will. Wie schön wäre es denn, wenn es den Streikenden gelänge, tatsächlich mit einer positiven Botschaft die Welt besser zu machen? Nämlich der, dass die Jugend der Welt immer noch an ihre Zukunft glaubt, die aber anders aussehen muss, als die, auf die wir aktuell zustimmen? Und dass sie bereit sind, dem ihnen immer wieder vorgeworfenen hedonistischen Lebensentwurf zu entsagen und dafür auch Opfer bringen wollen?
Nachbemerkung 1: Man mag mich zurecht fragen, warum, wenn ich das doch so toll finde, ich dann überhaupt kritisiere. Zwei kleine Gedanken: Erstens glaube ich, dass es wichtig ist, das Gute zu kritisieren, um es noch besser zu machen. Ich kritisiere ja nicht die Sache an sich, aber einige Aspekte, die mir aufstoßen. Wer mir bei Facebook folgt, wer diesen Blog liest, weiß, dass ich auch gerne „meine“ FDP kritisiere, obwohl ich sie grundsätzlich unterstütze. Zweitens wollen die Schulstreikenden ernstgenommen und wie Erwachsene behandelt werden. Dazu gehört auch, von ihnen erwachsenes Denken und Handeln zu fordern. Auch das spreche ich ihnen nicht ab, halte aber die beiden oben genannten Punkte für ausgesprochen kindisch – und kritisiere sie daher.
Nachbemerkung 2: Ich habe tatsächlich auch ein inhaltliches Problem mit fast allen Klimaaktivisten – eigentlich mit allen Aktivisten. Das ist ihre Kompromisslosigkeit. Sie neigen fast immer dazu, sich auf ein Thema zu fokussieren und tendieren dazu zu fordern, dass sich dem alles andere unterordnen muss. Das halte ich für eine unzulässige Vereinfachung – so ist die Welt nicht. Selbst wenn das Megathema Klima unbestritten die größte Herausforderung unserer Zeit ist – es ist nicht die Einzige. Der Klimawandel wird aller Voraussicht nach unermessliches Leid in die Welt bringen. Aber das – für den Klimawandel sicherlich mitverantwortliche – Wachstum der vergangenen zwei Jahrhunderte hat in gigantischem Ausmaß unermessliches Leid aus der Welt geschafft und tut das immer noch. Von daher muss sich selbst die Bekämpfung des Klimawandels einer interessensausgleichenden Debatte unterziehen!
Nachbemerkung 3: Da einige Kommentare unter meinem Facebook Post auch das Volksbegehren zum Artenschutz thematisieren, auch hierzu ein Gedanke. Hier gilt ähnliches, wie in der Nachbemerkung 2. Es ist absolut wichtig und richtig, dass das Thema diskutiert wird und dass es auf die Agenda kommt. Aber in den konkreten Forderungen verbirgt sich dann doch eine komplette Umstellung der Landwirtschaft – was zumindest nicht ohne weitere intensive Debatte Gesetz werden sollte. Ein bisschen wirkt das für mich wie Etikettenschwindel: Den konkreten Forderungen nach müsste das Volksbegehren nicht „Artensterben“ oder „Rettet die Bienen“ heißen, sondern „Umstellung auf Öko-Landwirtschaft“. Ich werde es trotzdem unterschreiben – damit das Thema auf die Agenda kommt, aber dann in der politischen Debatte sicher einen anderen Vorschlag unterstützen – der den Interessenausgleich besser hinbekommt!