Archiv für den Monat: Januar 2015

Syriza und die Troika ist gleich Europa und die Schiedgerichte

Nach seinem Wahlsieg sieht sich Herr Tsipras dem Dilemma gegenüber, dass die Erfüllung seiner Wahlversprechen gar nicht von ihm, sondern von Dritten abhängt. In diesem Fall von der Troika und damit letztlich vor allem auch von uns, den Wählern in anderen Ländern. Die Linkspartei mag dabei von Entmachtung sprechen, aber wenn sich ein Staat über Mittel von Dritten finanziert, ist das ja seine freie Entscheidung. Wolfgang Schäuble brachte das ungewohnt präzise auf den Punkt:

„Es hat niemand ein Hilfsprogramm bekommen, der das nicht will, und wenn Herr Tsipras sagt, er will das nicht haben, dann ist das sehr gut, dann wird er andere Wege finden, die Probleme Griechenlands zu lösen.“

Auch eine demokratisch gewählte Regierung ist an Verträge gebunden, die ihre Vorgänger mit Dritten abgeschlossen haben. Genauso wie jede Versicherung ihre Policen aufrecht erhalten muss, auch wenn der Vorstand wechselt. Die Regierung hat zwar alles Recht der Welt, in Verhandlungen über Vertragsänderungen einzutreten, aber kein Recht darauf, dass der Vertragspartner darauf eingeht.

Wenn nun der Vertragspartner, wie im vorliegenden Fall, andere Regierungen oder überstaatliche Organisationen wie EZB und IWF sind, ist das ganz offensichtlich so: Man begegnet sich auf Augenhöhe, verhandelt unter Gleichen. Beide Partner haben eine Form demokratischer Legitimation, beide können Gesetze erlassen oder haben zumindest Richtlinienkompetenz.

Was aber, wenn der Vertragspartner kein Staat oder keine internationale Institution ist? Wenn er ein Privatmann oder ein Unternehmen ist? Wenn es sich um Vertragsparteien handelt, die diese Richtlinienkompetenz nicht haben? Müssen die sich der demokratisch legitimierten neuen Macht einfach beugen?

Nein, das müssen sie nicht. Denn ein Vertrag, den eine Partei entgegen aller Vertragsbestimmungen jederzeit kündigen kann, nur weil sie eine demokratische Regierung ist, ist nichts wert. Pacta sunt servanda – auch von Regierungen.

Nun ist es sicherlich auch nicht zielführend, dass diese Verträge immer und unter allen Umständen bestehen bleiben müssen. Dann stellt sich zwangsläufig die Frage, wer über die Modalitäten eines Auseinandergehens entscheidet. Wenn das Unternehmen im Vertrauen auf den Vertrag Investitionen getätigt hat: In welcher Höhe ist es zu entschädigen? Was ist hier angemessen?

Diese Frage können die Gerichte des Landes, das Vertragspartei ist, nicht entscheiden, da sie der Gesetzgebung dieses Landes unterliegen. Wenn die neu gewählte Regierung und mit ihr das Parlament den Vetrag nicht mehr wollen, könnten sie ja einfach per Gesetz entscheiden, dass er ohne jede Ausgleichszahlung endet. An diese Gesetze wären die Gerichte gebunden. Da sie Teil der einen Vertragspartei sind, können sie nicht über das Vertragsverhältnis entscheiden. Um bei unserem Beispiel der Versicherungpolice zu bleiben: Auch die objektivste Revisionsabteilung der Versicherung wäre ein schlechter Richter über Ausgleichzahlungen an einseitig gekündigte Kunden.

Genau deswegen braucht es die in Sachen TTIP so umstrittenen Schiedsgerichte. Es geht schlicht nicht ohne sie. Sonst gäbe es zwischen Staaten und Unternehmen keine Gerechtigkeit.

Damit ist übrigens nicht gesagt, dass die sehr intransparenten Schiedsgerichte, die in bestehenden Investorenschutzabkommen vorgesehen sind, die richtige Lösung sind: Sie sind es nicht. Aber die aktuelle Abneigung gegen Schiedsgerichte per se verfehlt das Ziel. Es geht nicht um das „ob“, es geht um das „wie“: Wie müssen die Schiedsgerichte aussehen, damit sie die Interessen sowohl der Unternehmens als auch des Staates berücksichtigen? Auf Basis welcher Grundlagen entscheiden sie? Und wie lassen sie sich transparent gestalten?

Das wäre die Frage, die zu diskutieren wäre. Vielleicht hilft es ja, dass sich die Deutschen nun nicht auf der Seite des kündigenden, sondern des (vielleicht) gekündigten Vertragspartners wiederfinden.

Mindestlohn für Praktikanten oder der kalte Materialismus der SPD

In diesem Facebook-Post habe ich meine Frustration darüber zu Ausdruck gebracht, dass ich durch den Mindestlohn einen Praktikanten nicht einstellen konnte, obwohl wir uns über Dauer des Praktikums und die Bezahlung einig waren. Bei mehr als drei Monaten Dauer hätte ich ihm den Mindestlohn zahlen müssen – rd. 1.350 Euro im Monat.

„Zahl einfach vernünftig“ ist die Antwort eines Freundes, der tief in der SPD zu Hause ist. Ich gestehe, dass mich diese Antwort persönlich trifft: Sie beinhaltet den Vorwurf, ich würde meine Praktikanten nicht vernünftig bezahlen, ich wäre ihnen gegenüber nicht fair. So habe ich mich bisher nicht gesehen. Auch nach einer Nacht drüber schlafen sehe ich mich nicht so. Die knapp tausend Euro im Monat, die wir zahlen, sind nicht wenig für einen Praktikanten. Aber darum geht es nicht: Ich nehme für mich in Anspruch, unseren Praktikanten mehr zu bieten: Ich nehme mir Zeit zum Erklären. Ich biete  spannende Projekte. Eben einen Einblick in den deutschen Mittelstand. Ich achte drauf, dass sie nicht mehr als 40 Stunden die Woche arbeiten.

„Zahl einfach vernünftig“. Aus diesen Worten spricht das, was Sebastian Haffner den kalten Materialismus und die ökonomischen Zwangsvorstellungen der Sozialdemokratie genannt hat. Hier ist das die Reduktion eines Ausbildungsverhältnisses auf eine nackte Zahl. Damit einher geht das Ignorieren der schlichten Tatsache, dass jedes Arbeitsverhältnis, wie jede andere zwischenmenschliche Beziehung auch, von etlichen Facetten geprägt ist. Keine Frage, Lohn & Gehalt sind ein wichtiger Bestandteil dieses Verhältnisses. Aber ganz sicher nicht der einzige. Die Freundschaft jedenfalls, die ich zu vielen meiner Ex-Praktikanten auch Jahre später noch unterhalte, kommt in diesem Bild nicht vor.

Das ist das Dilemma der deutschen Mindestlohngesetzgebung. Es geht nicht um die Frage, ob mindestens 8,50 Euro ein faires Minimum für einen Lohn ist. Die wäre einfach mit „ja“ zu beantworten. Es geht darum, dass die Reduktion auf diese Zahl so viel anderes übersieht: Harte und weiche Nebenleistungen und die Möglichkeit, auf individuelle Voraussetzungen und Besonderheiten einzugehen. Bezeichnend übrigens, dass diejenigen meiner Facebook-Freunde, die bei Konzernen arbeiten, viel weniger Verständnis für meinen Post gezeigt haben, als die, die in kleineren individuellen Strukturen arbeiten. Aber sozialdemokratische Politik ist, eben in ihrem materialistischen Wesen, immer Konzernpolitik: Wer tausende Mitarbeiter hat, arbeitet ohnehin standardisiert, wenn der Standard vom Gesetzgeber kommt, macht das kaum was. Wer als kleines Unternehmen individuelle Wege geht, für den wird’s schwierig. Wie bei so vielen sozialreformerischen Ideen folgen aus einer zweifelsohne gut gemeinten Idee häufig weniger gute Konsequenzen. Was das im konkreten Fall heissen kann, habe ich in den Kommentaren zu dem Kommentar schon geschrieben.

Noch eine unschöne Konsequenz ist, dass aufgrund einer arbiträren Gesetzgebung persönliche Vorwürfe zwischen Freunden gepostet werden.

Neues FDP CI: Magenta? CMYK!

Gestern hat mich ein Kollege gefragt, was ich denn vom neuen CI der FDP halte. Vor allem das Meganta ist ja irgendwie komisch. Dazu müsse man doch irgendwie eine Meinung haben. Also hier ist sie:

Die Idee finde ich genial. Es wurde ja nicht einfach die etwas eigenartige Farbe „Magenta“ zum FDP Blau-Gelb hinzugefügt, sondern auch das Blau und das Gelb wurden geändert. Auf die Grundwerte im CMYK Farbspektrum, also auf Cyan, Magenta und Yellow. Das sind die Grundfarben, aus denen jeder Drucker dieser Welt alle die anderen Millionen Farben, die er so zu drucken hat, zusammenmischt.

Das gefällt mir deshalb so gut, weil liberales Denken genau so funktioniert: Aus ganz wenigen immer gleichen Grundgedanken (Demokratie, Grundrechte und Rechtsstaat) baut sich die Haltung zu jedem tagespolitischen Thema zusammen. Und das auch dann, wenn das in Einzelfällen zu einer unpopulären und schwer erklärbaren Haltung führt. Die Bürgerrechte dürfen auch in Zeiten des Terrors nicht außer Kraft gesetzt werden. Das Recht auf Eigentum bleibt auch in Zeiten von sozialer Ungleichheit bestehen. Ein Infrastrukturprojekt, von dem viele Menschen profitieren, muss auch mal gegen den Willen der direkten Anwohner umgesetzt werden. Und so weiter und so fort.

Und das bringt mich zurück zur Streitfarbe Magenta: Das muss zum CI der FDP gehören. Nicht, weil es unbedingt schön ist. Sondern weil die Idee mit den Grundfarben so elegant, so ur-liberal ist.